Schon in der Vergangenheit zeichneten sich die Konzerte des Motettenchors Mannheim in der Heilig Geist Kirche durch eine höchst abwechslungsreiche mehrere Jahrhunderte überspannende Musikauswahl aus. Mit seinem ersten Konzert am am 23.11.2013 ist Alexander Niehues, der im September 2013 Bezirkskantorin Brigitte Fröhlich abgelöst hat, ohne Zweifel dieser Tradition gefolgt. Zu hören war geistliche Musik aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert, im folgenden chronologisch sortiert: Werke von J.S. Bach (1685-1750), Händel (1685-1759), Liszt (1811-1886), Bruckner (1824-1896), Becker (1834-1988), Nössler (1863-1943), Naylor (1867-1934), Vaughan Williams (1872-1958), Britten (1913-1976), Lauridsen (*1943) und Macmillan (*1959). Die höchst unterschiedlichen Stücke an jenem Abend waren ebenso unterschiedlich in ihren Anforderungen an die Mitwirkenden. Von der Bühne im Altar-Bereich aus präsentierte der Motettenchor zunächst mit drei Chorälen (Eduard Nössler: "Tröstet mein Volk", Albert Becker: "Machet die Tore weit", J.S. Bach: "Wie schön leuchtet der Morgenstern") seinen satten harmonischen Choralklang. Mit dem Gloria aus Ralph Vaughan Williams Messe in g-Moll präsentierten Chor und Sopran-Solistin Claudia Kienzler ein dynamisches Feuerwerk. Nach der folgenden vierstimmigen Gegenbewegungs-Kontrapunktik-Studie "Cantate Domino Canticum Novum" von Arvo Pärt kam "O Nata Lux" von Morten Lauridsen mit seinen omnipräsenten Dreiklang-Sekunddissonanz-Gebilden zu Gehör, bei dem der Chor seine Intonationsfähigkeit ebenso unter Beweis stellen mußte wie bei den anspruchsvollen Modulationen in Anton Bruckners "Vexilla Regis" (WAB51). Ganz im Gegensatz zur harmonischen Herausforderung des berühmten Bruckner Chorals verlangte James MacMillans beinahe polyphon anmutende "Christus Vincit" große rythmische Präzision. Claudia Kitzlers fantastische Sopranstimme, ließ "Christus Vincit" erst richtig gespenstisch und entrückt wirken. An keiner anderen Stelle im Konzertablauf als genau hier inmitten des noch ergriffen schweigenden Auditoriums plazierte Bezirkscantor Niehues direkt im Anschluß daran Edward Woodall Naylors extatisch monumentales Werk "Vox Dicentis, Clama" mit gregorianisch angehauchten Zwischensequenzen, dessen Beginn in forte die gesamte Kirche auszufüllen vermochte, um dann aber überraschend versöhnlich und sonnenstrahlartig mit ruhigem Chor und nicht weniger mitreißend gefühlvoller Sopran-Arie auszuklingen. Solistin und Chor treten nach hinten ab, die Orgel spielt ein Arrangement aus Georg Friedrich Händels Messias. Wer nicht ins Programmheft geblickt hat, könnte nun durchaus mit dem Ende des Konzertabends gerechnet haben. Doch Alexander Niehues hat sich noch eine besondere Darbietung für das Ende offen gehalten und meint das ganz im Sinne des Händelschen Stückes, das hier vom Organisten höchst selbst für die Orgel arrangiert wurde: "Lift Up Your Heads". Eine klare Ansage an das Publikum. Der gesamte Chor versammelte sich blitzschnell hoch oben und hinter dem Publikum bei der Orgel und stimmte zusammen mit dieser Benjamin Brittens rasend schnelles wie rhythmisch kompliziertes "Festival Te Deum" an. Ohne Zweifel war es ein gelungener Abend und ein tolles Debut für Alexander Niehues. Doch das Publikum durfte sich nicht nur an einen gut gelaunten Motettenchor erfreuen, durfte nicht nur die glasklare wie schöne Stimme von Jazzsopranistin Claudia Kienzler erleben. Es wurde auch Zeuge des sensibel wie dramatischen, werkgetreuen wie innovativen Orgelspiels vom gerade einmal sechsundzwanzig jährigen, bereits mehrfach für sein Improvisationstalent ausgezeichneten Organisten Sebastian Küchler-Blessing, der den Konzert-Abend mit Johann Sebastian Bachs Präudium und Fuge in g-Moll (BWV 535), Franz Liszts "Vexilla Regis" (aus Via Crucis) und dem eigenen Händel-Arrangement "Lift Up Your Heads" (aus Händels MESSIAS) erfreute. Seine erstaunlichste Darbietung verdankten Publikum wie Mitwirkende allerdings höherer Gewalt: Als Reaktion auf ein erst am Vortag des Konzerts aufgetretenen technisches Problems mit einem der Orgelmanuale beeindruckte Küchler-Blessing alle Anwesenden mit einer Stehfreifimprovisation zu Max Regers "Wie schön leucht' uns der Morgenstern" anstelle wie im Programm angekündigt Phantasie und Fuge (op.41,1) von Max Reger. Von Jeromin Fest.