Ich atme, denke, trinke, esse, bewege mich, nutze Energie und Geräte, verbrauche und gebrauche, nutze und werfe weg, lese, höre, sehe, rede, stehe, gehe, fahre, ... selbst sitzen, liegen und nichts tun brauchen Energie. Wie jeden Tag, wie alle auf der Welt. Täglich überlegen wir, was wir tun müssen, vielleicht auch was wir tun könnten, hinterfragen selten und ändern noch seltener unsere Gewohnheiten. Die Schuhe, die wir tragen, die Hosen und Hemden, die wir anziehen, passen ja meistens eine Weile. Wir wechseln nicht täglich unseren Job, haben die gleichen Freunde normalerweise länger als einen Monat, ziehen nicht jedes Jahr um. Es wäre auch schwer zu ertragen, wenn sie täglich alles ändert. Warum also ändern, was wir täglich wiederholen? Die großen Dinge des Lebens ändern wir doch eh nicht! Diese Macht haben nur andere, die ganz oben an den Schalthebeln sitzen, oder? Dabei haben wir täglich die Wahl, treffen Entscheidungen und beeinflussen den Lauf der Welt. Jeder Mensch ein winziges bisschen, mancher mehr, manche weniger. Jeder Schritt, den wir machen, bringt uns in eine Richtung. Wohin merken wir nicht immer sofort. Bei jeder Interaktion mit anderen Menschen, bei jeder Transaktion, bei jeder Kommunikation. Ein Einkauf ist nur ein Einkauf. Mein Einkauf ist nur ein Einkauf von vielen Million und Abermillionen, die täglich stattfinden. Was macht mein Einkauf also für einen Unterschied? Mein Auto (oder deins) ist nur eines von Millionen in Deutschland, Milliarden auf der Welt. Die Strecke, die ich zurücklege, nur ein Bruchteil der Kilometer von Millionen, die täglich gefahren oder geflogen werden.
Und doch stellt sich die Frage, was nützt es, wenn einer für sich entscheidet, etwas zu tun, das anders ist? In Zeiten wie diesen beantwortet sich diese Frage auf zweierlei Weisen: 1. Bewusste Entscheidungen, sein alltägliches Handeln im Kleinen zu ändern, können langsam eine Veränderung im Großen bewirken. Dazu bietet sich jeden Tag eine neue Möglichkeit, bei jedem Schritt, den wir tun. 2. Bewusste Entscheidungen in besonderen Situationen können schneller eine Veränderung bewirken, sind jedoch seltener möglich. Die nächste vergleichbare Entscheidung wäre voraussichtlich in etwas mehr als 4 Jahren wieder dran. Aktuell ist diese Entscheidung bei den meisten vermeintlich schon gefallen: welche Partei für den 18. Deutschen Bundestag am 22. Sept. die Stimme erhält.
Bewusste Entscheidungen setzen allerdings Information und Auseinandersetzung damit voraus. Zudem darf der Nutzen dieser Beschäftigung zwar bezweifelt werden, jedoch nicht gänzlich bestritten werden. Seien wir ehrlich: die Bundestagswahl bietet auch nicht spürbar mehr Einfluss als das alltägliche Verhalten. Was jedoch unbestreitbar ist: eine Stimme mag nur eine von Millionen sein und kann damit sicher nicht als herausragend entscheidend gelten, doch trägt (im Großen und Ganzen) sie zum Ergebnis so viel bei wie jede andere Stimme auch. Damit ist man schon mal besser dran, als mit dem Geld, über das Mann oder Frau verfügen kann. Oder dem Interesse, das die Medien, an jemand haben. Oder der Glaubwürdigkeit, die gewöhnliche Bürger genießen. Nun scheint es häufig egal zu sein, welche Parteien zur Wahl stehen und welche Kandidatinnen und Kandidaten sie aufstellen, alles sieht gleich aus, hört sich gleich an und scheint vorher und nachher keinen Unterschied zu machen. Dass dem nicht so ist, zeigen zahlreiche Hilfestellungen, die bei der Auswahl der richtigen Parteien und KandidatInnen helfen sollen. Wer sich nicht sicher ist oder die bereits für sicher gehalten Meinung nochmal gegenchecken möchte, kann dies bei folgenden Internetangeboten tun:
Die Bundeszentrale für politische Bildung [1] stellt grundsätzlich alle Informationen zu Bundestagswahlen bereit. Die Landeszentralen für politische Bildung in Hessen [2] und Bayern [3] stellen Informationen zu den jeweiligen Landtagswahlen bereit. Der Wahl-O-Mat ist 2002 zur Bundestagswahl das erste Mal angeboten worden und hat sich seitdem zum festen Bestandteil der Wahlinformation entwickelt. Trotzdem wird zur Landtagswahl 2013 in Hessen kein Wahl-O-Mat angeboten, da das Land Hessen die finanziellen Mittel nicht aufbringen konnte (traurig...). In 38 Thesen (15 Thesen für die Wahl in Bayern) fragt der Wahl-O-Mat Zustimmung, neutrale Haltung oder Ablehnung zu einem breiten Spektrum an politischen Themen ab, die zuvor die Parteien beantwortet haben. Vor der Auswertung wird gefragt, welche Thesen persönlich als wichtig eingeschätzt werden und diese stärker gewichtet. Am Ende wird angezeigt, inwieweit die eigene Haltung zu den Antworten der Parteien passt. Es lohnt sich jedoch sich die Antworten genauer anzuschauen. Die Thesen sind nicht eindeutig, Zustimmung oder Ablehnung kann auch anders motiviert sein. Sichtbar wurde in meinem Fall deutlich, wie unterschiedlich meine Haltung zu den verschiedenen Parteien passt.
Ein weiteres unabhängiges Angebot zum gesamten Themenspektrum gibt von abgeordnetenwatch.de [4], einem Verein, der für mehr Transparenz und Beteiligung der und Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger am politischen Geschehen kämpft. Grundsätzlich sollen Bürger über die Webseite ihre Vertreter in den Parlamenten befragen können und haben hier die Möglichkeit öffentlich einsehbar eine Antwort zu erhalten. Zusätzlich sind ihre Parlamentarische Arbeit wie Abstimmungsverhalten, Ausschussmitgliedschaften und Redebeiträge sowie Informationen zu Nebentätigkeiten einsehbar. Als Ansatz gegen Einfluss durch Lobbying, Korruption und Nebeneinkünfte ermöglicht Abgeordnetenwatch zur Bundestagswahl die Parlamentarier zu den Themen Transparenz und Korruptionsbekämpfung eine Selbstverpflichtung einzugehen. Ähnlich wie beim Wahl-O-Mat verfährt der Kandidatencheck von Abgeordnetenwatch [5], nur dass hier auf Ebene des Wahlkreises die Bewerberinnen und Bewerber direkt abgefragt wurden. Die Teilnahme der Kandidierenden ist auch hier freiwillig. Mit 24 Thesen ist der Kandidatencheck etwas schmaler gehalten als der Wahl-O-Mat. Eine Gewichtung gibt es hier nicht. Trotzdem wurde überaus deutlich sichtbar, mit wem ich einer Meinung bin und mit wem überwiegend nicht. Die teilweise ausformulierten Kommentare helfen bei der Einschätzung, wie Zustimmung oder Ablehnung zu werten sind.
Der BUND [6] als Naturschutzorganisation legt naturgemäß seinen Fokus auf 10 Kernforderungen und fragt daraus mit drei einheitlichen und zwei regionalspezifischen Thesen die Bewerber um die Bundestagsmandate von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Grünen ab. Auch hier die Kandidierenden konnten Zustimmung, neutrale Haltung oder Ablehnung sowie Kommentare abgegeben werden. Ergebnis [7] ist ein schneller Überblick in Form einer 5x5 Tabelle mit grünen, gelben oder roten Pfeilen, sofern die Thesen beantwortet wurden. Widersprüchliche Aussagen sind markiert. Auch hier sind die Kommentare im Zweifelsfalle hilfreich.
Wem wie mir die Energiewende besonders am Herzen liegt und wer ebenso glaubt, dass in Bürgerhand der schnellste und gerechteste Umbau vonstatten gehen kann, dem wird die von der 100 % erneuerbar Stiftung ins Leben gerufene und stetig wachsende "Fraktion für Bürgerenergie" [8] gefallen und eventuell bei der Wahl helfen. Mit der Energiewende-Charta wurden 10 Forderungen zur Energiewende formuliert, die als Selbstverpflichtung für die nächste Legislaturperiode von Kandidierenden aller Parteien unterzeichnet werden kann und auch bereits 456 mal unterzeichnet wurde. Welche der Kandidatinnen und Kandidaten aus dem eigenen Wahlkreis dazu gehören, kann man abfragen sowie zur Unterzeichnung einladen. Die Energiewende-Charta selbst unterzeichnen kann man natürlich auch und so Druck auf die Politik insgesamt aufbauen.
Thematisch nicht so speziell, aber ebenfalls in Form eines Forderungskatalogs zum Unterzeichnen, gibt sich das Generationen-Manifest [9]. Aus 10 Warnungen werden 10 Forderungen entwickelt, vom Klimawandel über Energiewende, mehr Bürgerbeteiligung bis zur Wiederbelebung des Generationenvertrages zugunsten der Kinder und Enkel. Insgesamt soll sich Politik wieder langfristig orientieren und eine Übereinstimmung von Versprechen und Rahmenbedingungen schaffen - Stichwort Nachhaltigkeit. Eine Abfrage nach Parteien oder Wahlkreisen ist hier nicht möglich. Einige ausführliche Antworten geben Aufschluss darüber, wo die Differenzen sind. Aufgrund pauschaler Vorwürfe gegen Politikerinnen und Politiker im Allgemeinen wurde teilweise die Unterschrift verweigert, teilweise dennoch unterzeichnet. Andere lehnen die Unterzeichnung aus inhaltlichen Gründen ab, teilweise wegen falscher Forderungen, teilweise wegen nicht weit genug gehender und nicht klar genug formulierter Forderungen.
Die Online-Wahlinformationsangebote ersetzen nicht die bewusste Entscheidung, sie sind ein Einstieg in die genauere Auseinandersetzung. Bei allen Angeboten gilt: - die eigene Überzeugung ist wichtig - versuche die Fakten zu kennen - persönliche Gewichtung der Themen berücksichtigen - die Kommentare mildern manche abweichende Ansicht ab - %-Zahlen ersetzen keine bei differenzierte Auseinandersetzung, manchmal ist ein differenziertes "Weiß nicht" besser als ein klares, aber unhinterfragtes Ja oder Nein
Und wenn dann am späten oder auch früheren Abend des 22. Sept. sich nicht das erhoffte Ergebnis abzeichnet, dann bleiben immer noch die vielen kleinen Entscheidungen des alltäglichen Lebens. Auch da benötigt man verlässliche, unabhängige und differenzierte Informationen und den eigenen Kopf. Aber es befreit von der Unmündigkeit durch Unwissenheit! Links zum Thema, in der Reihenfolge wie im vorangegangenen Text angesprochen. [Hinweis: Die nachfolgenden Links dienen lediglich der Veranschaulichung des Themas. Es handelt sich weder um Werbung noch eine politische Aussage. REALITAS ist nicht für den Inhalt der Links veranwortlich. Im Benutzen der Links haben Sie diesen Hinweis zur Kenntnis genommen!]
[1] BPB: Bundestagswahl 2013 mit Wahl-O-mat [2] HLZ: Landtagswahl Hessen 2013 ohne Wahl-O-Mat [3] BLZ: Landtagswahl Bayern 2013 mit Wahl-O-mat [4] Abgeordnetenwatch.de, [5] Kandidatencheck von Abgeordnentenwatch [6] BUND (Startseite), [7] Der BUND Kandidatencheck [8] Die Bürgerenergiewende [9] Generationenmanifest Von Siebente.